In kleinen Schritten das Leben meistern

Rebekka Meyer geht trotz Beeinträchtigung Stück für Stück voran

Stadthagen. Dazulernen und vorankommen – das ist Rebekka Meyer wichtig. Aber bitte immer nur in kleinen Schritten und eines nach dem anderen. So handhabt sie es bei ihrer Arbeit in der Anmeldung der Lothar-Wittko-Werkstatt der Paritätischen Lebenshilfe Schaumburg-Weserbergland GmbH (PLSW) in Stadthagen und auch in allen anderen Lebensbereichen.


Das erste freundliche Gesicht, das Besuchern an der Anmeldung der Lothar-Wittko-Werkstatt begegnet, ist das von Rebekka Meyer. Sie nimmt dort Anrufe entgegen, empfängt und begleitet Gäste auch schon mal zur Geschäftsführung. Darauf ist seit 2001 Verlass. „Ich bin ganz froh, dass ich da hingekommen bin. Weil ich gemerkt habe, dass das so mein Ding ist“, sagt sie.

„Ihr Ding“ – das ist ebenso die Verantwortung, die sie trägt, wie auch die Möglichkeit, mit vielen unterschiedlichen und immer wieder neuen Menschen zu tun zu haben. Darauf, dass sie diese Aufgabe meistert, ist sie schon ein wenig stolz und freut sich auch darüber, dass es ihr zugetraut wird.

So, wie Zutrauen ihr entgegengebracht wird, hat sie auch Zutrauen in sich selbst. Das erarbeitet sie sich allerdings in kleinen Schritten. Einen Fuß vor den anderen setzen, beziehungsweise ein Förderziel nach dem nächsten meistern, ist das Konzept, das sie sich selbst auferlegt hat. Das nächste Ziel, das sie bei der Arbeit vor Augen hat, ist das Einscannen von Dokumenten. Die Technik macht nicht Halt. Auch und gerade nicht vor der Arbeit in einer Anmeldezentrale. So kommt immer wieder Neues hinzu. Und Rebekka Meyer arbeitet sich langsam und kontinuierlich voran.


Klebezettel als Gedankenstützen

Gemächlich geht sie an alles Neue heran, weil sie sich Dinge nicht allzu gut merken kann. Was ihr morgens als Aufgabe übertragen worden sei, erzählt sie, habe sie nachmittags schon wieder vergessen. Zuverlässigkeit ist ihr aber wichtig – weswegen an ihrem Bildschirm immer Klebezettel mit den aktuellen Aufgaben als Gedankenstützen hängen. Das hilft, damit sie mit sich zufrieden ist und andere mit ihr zufrieden sind.

Statt von Problemen zu erzählen, berichtet Rebekka Meyer lieber von den guten Seiten in ihrem Leben. Davon, dass ihre Familie sie immer sehr unterstützt hat. Von ihren Eltern und den fünf Geschwistern. Und wie schön es ist, dass sie Patentante einer Nichte werden durfte. Das innige Verhältnis zu ihren Eltern wird deutlich, als sie auf Musik zu sprechen kommt. Sie selbst spielt Flöte, ihr Vater Klavier. „Meine Mama mag das immer voll gerne“, fügt sie an, als sie von den Musikstücken zu Weihnachten erzählt, die sie gemeinsam mit ihrem Vater spielt.


Das tiefe C wird weggelassen

Flöte spielen zu lernen, war nicht einfach für sie. Da ist schließlich diese Spastik in der Hand. Das tiefe C beispielsweise, für das sie den kleinen Finger der rechten Hand braucht – das kann sie nicht greifen und lässt diesen Ton einfach aus. „Wenn man es nicht spielt, dann klingt es ja auch nicht schief“, sagt sie. In dem Flötenkreis, in dem sie war, haben die anderen Flöten den Ton für sie übernommen. Dann fiel es gar nicht auf.

Aufgeben ist nicht Rebekka Meyers Ding. Was sie will, das probiert sie aus und übt so lange, bis es gelingt. Und kann sie etwas wegen ihrer Beeinträchtigung nicht meistern, dann sucht sie nach anderen Mitteln und Wegen – wie beispielsweise dem tiefen C, das sie einfach auslässt.


Einen Beitrag leisten können ist wichtig

Wirklich gerne macht sie ihre Arbeit aber auch, weil sie dort in der Anmeldung das Gefühl hat, etwas Sinnvolles zu tun. Gebraucht zu werden und einen Beitrag leisten zu können. Dass sie in der Anmeldung gefordert und gefördert wird und das nach ihren eigenen Möglichkeiten, findet sie richtig gut.

Entsprechend selbstbewusst und eigenständig richtet sie sich auch ihr Privatleben ein. Das Angebot, eine Putzhilfe für ihre kleine Wohnung zu bekommen, die ihr das Leben erleichtern sollte, hat sie rundweg abgelehnt.

Das will sie alleine schaffen und trägt in ihren Kalender alles ein, was sie womöglich vergessen könnte – bis hin zum Termin für das Beziehen ihres Bettes.

Mit Sorgfalt und Umsicht, mit Geduld und dem Willen, in kleinen Schritten immer weiter voranzukommen, gestaltet sich Rebekka Meyer ihr Leben - wie es ihr gefällt.


Das Interview mit Rebekka Meyer haben Jennifer Müller und Maike Losch geführt.

Beide besuchen die Fachschule für Heilerziehungspflege und Heilpädagogik der PLSW, um Heilpädagoginnen zu werden. Das Interview ist Teil ihres Projektes „Berichte aus dem Leben“, das dazu dient, den Schülern Lebenswirklichkeiten von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen näher zu bringen.

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